Samstag, 12. Juni 2010

Nafisa Haji: Worte auf meiner Stirn (Droemer)

Wenn die Mutter von Saira und Sameena mit dem Verhalten ihrer Töchter unzufrieden ist, dann erzählt sie den Mädchen Geschichten. Sie berichten, was passiert, wenn man sich nicht so benimmt, wie sich Muslime indisch-pakistanischer Herkunft eigentlich zu be- nehmen hätten - und welch schlimme Folgen das hat. 
Je älter Saira wird, desto mehr fallen ihr gewisse Leerstellen und Widersprüche in den Geschichten auf. Doch erst viel später, auf einer Reise von Los Angeles, wo sie zu Hause ist, zu einer Hochzeit bei Verwandten in Indien, erfährt Saira, dass die Erzählungen ihrer Mutter keineswegs von wildfremden Leuten handeln. 
Den Lebensregeln, an denen sich ihre Familie orientiert, möchte Saira nicht folgen. Die junge Frau entscheidet sich gegen Familien- traditionen, Bindungen und Verpflichtungen - und wird Journalistin. Sie reist um die Welt, und berichtet von Krieg, Hunger und Leid. Das ist zugleich eine Flucht vor den nicht erzählten Geschichten - nicht zuletzt ihrer eigenen.Nafisa Haji erzählt von einer Großfamilie, die den Spagat zwischen Tradition und Moderne bewältigen muss. Das gelingt nicht immer ohne Konflikte und Verletzungen; doch erstaunlicherweise ist letzten Ende der Familiensinn immer stärker als der Ärger. Ihr Roman ist stilistisch brillant, und reicht weit über banale Unterhaltung hinaus. 

Prädikat: ****

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