Sonntag, 22. November 2009

Joris-Karl Huysmans: Tief unten (Diogenes)


Wie schreibt man im Paris des Fin de siècle einen Bestseller? Joris-Karl Huysmans kannte das Rezept: Man beziehe sich auf eine laufende Debatte, mache sich über möglichst viele Mit-Denker und -Schreiber möglichst geistreich lustig - und suche sich ansonsten ein Tabu, und breche es lustvoll.
Was Huysmans Zeitgenossen amüsiert, inspiriert oder auch empört hat, das ist für uns heute freilich kaum noch nachzuvollziehen. Und so lesen sich seine Romane zunächst ziemlich zäh; ihre Magie entfaltet sich eher in der Konsequenz, mit der die Helden seiner Bücher ihre Lebensexperimente absolvieren.
In "Gegen den Strich" zieht sich der Aristokrat Des Esseintes zunehmend aus der realen Welt zurück, in das selbst gewählte Exil seines Anwesens, in sein vertrautes Gehäuse, seine Inszenierung - und in seine Lektüre, die keineswegs so zufällig gegriffen wird, wie der Autor mitunter behauptet.
In "Tief unten" lässt Huysmans seinen Helden Durtal über Gilles de Rais schreiben, einen sagenumwobenen Verbrecher, der im 15. Jahrhundert verbrannt wurde. Das ist die Matrix - und der Anlass für einen Roman über den Satanismus, der mit seinen Beschreibungen kultischer Handlungen seinerzeit wohl nicht nur zartbesaitete Gemüter in Wallung versetzt haben dürfte.
All dies ist Literatur über Literatur, mehrfach verschachtelt und komplex bis zum Abwinken. Dem Verlag ist zu danken, dass er solche Denkmale der Weltliteratur zugänglich macht. Doch das Interesse für Huysmans Werke dürfte mittlerweile vorwiegend literaturhistorischer Natur sein.

Prädikat: **

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