Sonntag, 17. Oktober 2010

Susanne Schädlich: Immer wieder Dezember (Knaur)

1977 reist die Familie Schädlich aus. Vater Joachim, der Schriftsteller, der in der DDR keine Zukunft mehr sah, seine Frau und seine zwei Töchter. Susanne Schädlich, damals zwölf Jahre alt, verliert ihren Bruder - Jan, bereits 17 Jahre alt, will lieber dort bleiben, wo er aufgewachsen ist - und wird herausgerissen aus ihrer glücklichen Kindheit im Märchenviertel von Berlin-Köpenick. Denn der Westen ist fremd; dort sind sie Fremde, deren Geschichte und deren Erfahrungen nicht interessieren. 
Und zugleich werden sie die DDR nicht los. Denn die Stasi klettet sich an die Schädlichs. Selbst nach dem Untergang des "Arbeiter- und Bauernstaates" werden sie die Spitzel und die Intriganten nicht los. In einer beeindruckenden Erzählung berichtet Susanne Schädlich, wie ihr Onkel Karl-Heinz alles daran setzte, die Familie seines Bruders zu zerstören und seinen Schriftstellerkollegen zu schaden - aus Geltungsdrang, und um ein paar schäbiger persönlicher Vorteile willen. Eine deutsch-deutsche Geschichte, die über eine reine Autobiographie weit hinausreicht. Das liegt zum einen daran, dass hier das Ausmaß der Niedertracht und Skrupellosigkeit, mit der das DDR-Regime gegen Kritiker vorging, sichtbar wird wie selten zuvor. Das beruht aber auch auf der Wucht, mit der die Autorin die Auswirkungen dieser Handlungen auf ihre Familie deutlich macht - eine bitterböse Chronik, denn ohne die Unterstützung, die die Betroffenen aus dem Freundeskreis erfahren haben, hätte sich wohl die Stasi durchgesetzt.

Prädikat: ****

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