Freitag, 31. Mai 2013

Karl-Wilhelm Weeber: Von Achillesfersen und Trojanern (Reclam)

Noch unsere Großeltern haben auf dem Gymnasium viele Stunden damit verbracht, die Sprachen der Antike, insbesondere Altgriechisch und Latein, zu lernen und die Klassiker zu lesen. Sie kannten sich mit der Dichtung des Altertums und mit antiken historischen Ereignissen ziemlich gut aus, und haben wie selbstverständlich eine Menge Ausdrücke und Redewendungen, die sich darauf beziehen, in ihren Alltag über- nommen. 
Heute sind die meisten Gymnasiasten kaum noch in der Lage, fehlerfrei Deutsch zu schreiben. Und was ein Danaergeschenk ist, ein Pyrrhussieg oder ein gordischer Knoten, das ist ihnen ein Mysterium. In diesem Buch erklärt Karl-Wilhelm Weeber, Althistoriker und Klassischer Philologe, in unterhaltsamer Form, welche Wurzeln Begriffe wie Mentor, Asyl oder Strategie haben. Er erläutert, warum der Trojaner, der einen Computer befällt, eigentlich Grieche heißen müsste, und weist auch sonst auf so manche Kuriosität hin. Sprachgeschichte, spannend erklärt! Dieses Bändchen müsste eigentlich in der Oberstufe zur Pflichtlektüre gehören. 

Prädikat: *****

Samstag, 4. Mai 2013

Sabine Ebert: 1813 - Kriegsfeuer (Knaur)

Dieses dicke Buch berichtet über das Jahr 1813 - ein Kriegsjahr, das für die Menschen in Mitteldeutschland unglaubliches Leid, Not und eine Vielzahl von Scharmützeln und Schlachten brachte. Sabine Eberle hat, wie schon für ihre Romane um die Stadt Frei- berg, die Wettiner und die Hebamme Marthe, die Dokumente gründlich befragt. So erzählt die Autorin zwar spannende Ge- schichten, der Leser darf sich aber oben- drein darauf verlassen, dass die Fakten stimmen. Und neben den erfundenen Figuren, die Farbe in den Roman bringen, finden sich jede Menge historische Gestalten: Ein zaudernder König und zynische Diplomaten im Ringen um Europas zukünftige Grenzen, Generäle, die mit Blut Geschichte schreiben, und brave Bürger, die versuchen, zwischen den Fronten ihre Existenz zu retten. Wer etwas über die Völkerschlacht erfahren will - dieses brillante Buch vermittelt viele Aspekte, die man in den Geschichtsbüchern nicht finden kann. 

Prädikat: ****

Mittwoch, 1. Mai 2013

Christian Limmer: Saubär (Droemer)

"Findet ihr nicht, dass das wie Ripperl riecht?" Das fragt Schorsch seine Kollegen, die ziemlich entgeistert auf die Leichen im abgebrannten Kombi eines Bauern starren, der den Leuten im Dorf als "Saubauer Hias" ein Begriff war. Außerdem hat die Leiche zu viele Rippen, stellt Schorsch fest. Als Sohn des örtlichen Metzgers ist er da Experte. Und in der Tat sind die fünf verkohlten Leichen in dem Auto - Schweine. 
Bald findet sich aber auch der Bauer; er liegt tot im Kofferraum. Sein Anwesen ist ver- wüstet. Und im Dorf verbreitet sich umgehend das Gerücht, der Saubär, eine mörderische Fabelgestalt, habe da wohl seine Krallen im Spiel. 
Christian Limmer legt seinen zweiten Niederbayern-Krimi vor, und erneut spürt der Leser eine kräftige Prise Landluft. Doch die ist heute auch nicht mehr, was sie einst war. Denn Polizeihauptmeisterin Gisela Wegmeyer und ihre drei Dorfpolizisten Erwin, Richie und Schorsch müssen bald feststellen, dass Drogen in Niedernussdorf Einzug gehalten haben. Und so nimmt dieser Krimi, der mitunter recht deftig-komödiantisch daherkommt, schon bald eine ganz und gar tragische Wendung. 

Prädikat: ****

Georges Simenon: Der Präsident (Diogenes)

Er ist ein alter Mann, der ehemalige Prä- sident, und er lebt zurückgezogen in seinem Haus an der Kanalküste. Er hat schon so manche Regierungskrise erlebt - und auch diese jetzt, die er aus der Entfernung beobachtet, bringt für ihn keine Über- raschung. Bis auf eine: Der Kandidat, sein ehemaliger Sekretär, den er mit einem Dokument aus seiner reichhaltigen Sammlung jederzeit erledigen könnte, ignoriert ihn. "Der alte Mann und die Macht" - so könnte man diesen Roman auch nennen. Simenon zeigt darin mit der Intensität eines Kammerspiels, wie die Welt des alten Politikers zusammenschrumpft - bis auch er selbst jede Bedeutung verloren hat. 

Prädikat: *****

Caroline L.Jensen: Frau Bengtsson geht zum Teufel (Droemer)

Frau Bengtsson ist eine normale schwedische Hausfrau - jedenfalls bis zu dem Tag, an dem sie in der Badewanne ertrinkt. Gott aber schenkt ihr großmütig das Leben. Der Teufel beobachtet es, und sieht seine Chance gekommen, dem Herrn ein Schnippchen zu schlagen. Dazu fährt er in den Körper der Nachbarin Rakel, einer Theologiestudentin, bei der Frau Bengtsson dann, wie vermutet, Rat in Glaubensfragen sucht. 
Die Geschichte ist erschienen, als Papst Benedikt gerade beschlossen hatte, in Rente zu gehen. In diesem Kontext las sich das ganz witzig. Doch Caroline L. Jensen gelingt es nicht, aus ihrer Hiob-Paraphrase mehr zu machen als einen Unter- haltungsroman. Und der liest sich stellenweise mühsam - zumal Frau Bengtsson eigentlich wenig Vergnügen an der Sünde hat. 

Prädikat: *

Michel Ruge: Bordsteinkönig (Knaur)

Dies ist die Lebensgeschichte von Michel Ruge, geboren 1969 auf Sankt Pauli. Der Vater: Bordellbesitzer. Die Mutter: Kellnerin – oder so. Um den Jungen kümmert sich die Oma; er wächst in einem Etablissement auf, dessen Zweck er zunächst nicht versteht. Einer Hure verdankt Michel auch seinen ersten Sex, mit Zwölf. Und während er der Schule gar nichts abgewinnen kann, bewundert er die Luden, die im Mercedes auf der Reeperbahn vorfahren. 
Selbstverständlich wird ein Junge aus dem Kiez Mitglied einer Gang. Doch dann staunt der Leser. Denn die Berichte von den Schlägereien und Auseinandersetzungen, die sich die Kids untereinander liefern, machen den Hauptteil dieses Buches aus. Das ist nicht eben viel Substanz für eine "wilde Jugend" - aber ziemlich viel Nostalgie. Was soll denn das? so alt ist der Autor doch noch gar nicht. Und so mancher Satz zeigt, dass er die Veränderun- gen um sich herum sehr wohl mit wachen Augen beobachtet hat. Schade, aber da sehe ich mehr Potential für eine spannende Geschichte. 

Prädikat: --

Karin Engel: Der geheime Salon (Knaur)

Charlotte kehrt nach Bremen zurück. Die 38jährige ist gerade Witwe geworden; ihre Familie hat sich gerade ein neues Gebäude gegönnt, so dass die alte Villa leer steht. Dort zieht Charlotte ein. Sie gilt als steinreiche Großgrundbesitzerin. Niemand ahnt, dass ihr auf Mallorca kein Knopf mehr gehört. 
Charlotte will aber nicht Trost, sie will Rache. Und bald findet sie heraus, warum sie von ihrem Vater enterbt und in die Fremde verheiratet worden ist. Autorin Karin Engel schickt ihr in diesem Roman eine ganze Schar Unter- stützerinnen. Die Geschichte ist turbulent und unterhaltsam - aber wenig wahrscheinlich. 

Prädikat: --

Andrea Volk: Wenn Sie jetzt anrufen, bekommen Sie den Moderator gratis dazu (Heyne)

Es ist ein Millionengeschäft - unbegreif- licherweise. Doch offenbar gibt es genug Leute, die sich beschwatzen lassen, per Teleshopping WC-Reiniger, Klamotten, Bügeleisen oder Gartenzwerge zu kaufen. Andrea Volk hat bei einem der Marktführer gearbeitet, und beschreibt in ihrem Buch ebenso drastisch wie unterhaltsam, mit welchen Methoden in diesem Geschäft die Umsätze gemacht werden. Das ist so kurios, das kann nur wahr sein. 

Prädikat: **

Lotte und Sören Hammer: Das weisse Grab (Droemer)

In Grönland wird eine Leiche im Eis ge- funden. Es handelt sich um eine Kranken- schwester, die vor vielen Jahren von einer amerikanischen Radarstation verschwunden ist. Die Details lassen keinen Zweifel daran, dass ein Serienmörder am Werk ist - denn eine weitere Leiche, die ähnlich zugerichtet war, hat Kriminalhauptkommis- sar Konrad Simonsen schon vor Jahren gesehen. Damals wurde offenbar der falsche Mann für die Tat verurteilt. 
Im hohen Norden aber lässt sich schnell herausfinden, wer als Täter in Frage kommt. Doch das hilft der Polizei nicht weiter, wie sich bald herausstellt, denn zunächst fehlen Beweise. Und so kommt der Mörder frei - ein Psychopath, der sich umgehend zwei weitere Opfer greift, und dann untertaucht. Dieser Krimi ist so spannend, dass man ihn nicht mehr aus der Hand legen möchte, bis man die letzte Seite gelesen hat - Kompliment an die Autoren, das ist wirklich brillant! 

Prädikat: ****