Mittwoch, 13. Juni 2012

Heidi Rehn: Gold und Stein (Knaur)

Die fünfzehnjährige Agnes und ihre Mutter Gunda leben als angesehene Bierbraue- rinnen im preußischen Städtchen Wehlau. Eines Tages sitzt in der Gaststube ein Mann, der Agnes fasziniert. Laurenz ist Baumeister, er ist der Sohn einer Amme aus Königsberg, und er fragt nach ihrem Zwillingsbruder. Doch davon weiß Agnes nichts - und Gunda hüllt sich in Schweigen. Der Konflikt schwelt; doch er eskaliert, als die Brauerin ihrer Tochter eines Tages mitteilt, dass sie sie mit einem wohl- habenden Kunden verheiraten wird. 
Agnes flieht - nach Königsberg, wo sie dem gleichaltrigen Caspar begegnet. Verwirrt stellt sie fest, dass ihr der Kaufmannssohn nicht nur sympathisch ist, sondern auch noch dasselbe Feuermal im Nacken trägt. Einmal mehr erzählt Heidi Rehn aus der Geschichte Preußens. Diesmal wählte sie als Kulisse das 15. Jahrhundert, mit dem Dreizehnjährigen Krieg zwischen dem Preußischen Bund und dem Deutschritterorden. Ein gut recherchierter Historienroman - spannend erzählt, und eine Liebesgeschichte mit Happy End. 


Prädikat: **

Dienstag, 12. Juni 2012

Marek Krajewski: Finsternis in Breslau (dtv)

Breslau, Neujahr 1937: In einem schäbigen Hotel wird die Leiche einer jungen Frau gefunden. Sie wurde brutal vergewaltigt - und der Mörder hat ihr zudem das halbe Gesicht weggefressen. Abwehroffizier Eberhard Mock hat bald eine Spur. 
Und deshalb wird Mock von seinem Vorge- setzten nach Lemberg geschickt, das damals noch zu Polen gehörte. Dort nämlich wird der Mörder vermutet. Bei seinen Ermittlun- gen freilich muss der Hauptmann nun mit den Kollegen von der polnischen Polizei zusammenarbeiten, was ihm zunächst gar nicht gefällt - doch schon auf der Reise lernt er Kommissar Edward Popielski kennen. Und er stellt fest, dass dieser seine Vorliebe für die lateinische Sprache, gutes Essen, unkonventionelle Ermittlungsmethoden und die gehobe- ne Prostitution teilt. 
Die beiden Ermittler jagen den Mörder, den sie Minotaurus nennen, nach der Sagengestalt, die Jungfrauen frisst. Doch als sie das Monster schließlich haben, ist das kein Triumph. Denn der eigentliche Täter gehört zu den Reichen und Schönen - und er hat Popielskis Tochter Rita verführt. Marek Krajewski erzählt eine Geschichte aus einer Welt, die bereits am Abgrund steht. Das macht die handelnden Personen nicht sympathischer, aber ihre Taten verständlich. Span- nend ist das Buch ohnehin. 


Prädikat: **

Montag, 11. Juni 2012

Ariana Franklin: Der Fluch der Totenleserin (Droemer)

Heinrich II. befiehlt Adelia, seine Tochter Joanna nach Sizilien zu geleiten, wo die Elfjährige mit König William verheiratet werden soll. Dabei setzt der König von England nicht nur auf die ärztlichen Fähigkeiten  seiner Totenleserin, die sich auch auf die Heilung höchst lebendiger Menschen ausgezeichnet versteht. Denn der Brautzug transportiert zugleich das sagenumwobene Schwert Excalibur - und das hätten wohl die meisten Herrscher damals gern in Händen gehabt. 
Doch auch ohne diese Geheimmission ist die Reise lang, beschwerlich und gefährlich. Kriegszüge und Krankheiten bringen die Reisepläne durcheinander. Und dann beginnt eine Serie seltsamer Unfälle, die sich bald als heimtückische Morde erweisen - und der Mörder unternimmt alles, damit die Reisenden Adelia als die Tatverdächtige ansehen. Nur knapp kann die Ärztin der einem französischen Bischof entrinnen, der sie als Ketzerin betrachtet und zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt. 
Erst in Sizilien kann sie den Mörder stellen. Doch auch in ihrer einstigen Heimat ist von der einstigen Toleranz, die Juden, Christen und Muslime gleichberechtigt nebeneinander leben ließ, nicht mehr viel zu spüren. Ariana Franklin zeichnet in diesem Historienroman das Bild eines Europa, in dem die Kirche die Macht wieder an sich rafft. Sie zeigt die Ränke und Schachzüge der Herrschenden - und deutet die Auswirkungen an, die diese politischen Entscheidungen auf das regierte Volk haben. Der Leser staunt, und freut sich darüber, dass zumindest Pest, Cholera und Inquisition inzwischen Ver- gangenheit sind. 


Prädikat: ***

Pablo Tusset: Die lachenden Leichen (Heyne)

An der Costa Brava werden drei Ausländer gefunden. Eine Engländerin, ein Holländer und dann noch ein Deutscher. Sie sind sämtlich krebsrot, mausetot - und sie haben ein irritierend entrücktes Lächeln im Gesicht. Wer nun glaubt, es handele sich um einen Krimi, der wird bald enttäuscht sein. 
Denn in Wahrheit hat uns Pablo Tusset eine Satire auf den Schreibtisch geschmuggelt, die die Suche nach den Tätern zum Anlass nimmt, sich lustig zu machen - über Pro- vinzpolitiker, die sich wie kleine Könige aufführen, über Extremisten, die seltsame Ideale mit verrückten Methoden vertreten, ja, und natürlich auch über das Genre Krimi. Köstlich! 


Prädikat: ***

Rita Falk: Dampfnudelblues (dtv)

Schon wieder ein Kriminalfall in Nieder- kaltenkirchen: "Stirb, du Sau!", steht in riesigen Lettern auf der Hauswand von Realschulrektor Höpfl. Wenig später liegt er dann tatsächlich tot auf den Bahngleisen. Und Polizist Franz Eberhofer hat ein Problem. Denn den Pauker mochte im Dorf niemand. Doch dank seiner überragenden Menschen- und Ortskenntnis hat Eberhofer bald eine Spur, die ihn direkt zum Täter führt. 
Dieser Provinzkrimi ist ein flammendes Plädoyer für die ländliche Polizeiwache - und zugleich ein urkomisches Porträt eines Dorfpolizisten, der hier als Erzähler fungiert. Lang nicht mehr so gelacht beim Krimi-Lesen - vielen Dank an Autorin Rita Falk! 


Prädikat: ****

Freitag, 1. Juni 2012

Ödön von Horváth: Jugend ohne Gott (Diogenes)

"Ich will hinfort nicht mehr die Erde strafen um der Menschen willen, denn das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf." Angesichts seiner Schulbuben muss der Held dieses Romanes an dieses Zitat aus der Bibel denken. Er ist Gymna- siallehrer, und seine Knaben sollen nun nicht mehr klug werden, sondern hart wie Krupp- stahl, und zäh wie Schuhleder. Wer sich je gefragt hat, wie brave Familienväter zu gewissenlosen Mördern werden konnten, die Frauen, Kinder und Greise hingemetzelt haben - in diesem Buch findet er eine Antwort. 


Prädikat: *****