Mittwoch, 28. Juli 2010

Tom Piccirilli: Schmerz (Heyne)

Sozialabeiter Tom eilt durch den Schnee- sturm zum Haus der Familie Shepard. Dort soll ein Kind in Gefahr sein, und es ist sein Job, sich um solche Fälle zu kümmern. Doch mit der Tochter Kelly ist alles in Ordnung.
In einem Käfig im Keller aber findet Tom einen Behinderten - Nuddin, den Bruder der Hausherrin. Er entschließt sich, dieses groteske Wesen gleich mitzunehmen, denn einen Menschen hinter Schloss und Riegel zu halten, widerspricht seine Vorstellungen von Humanität. 
Das allerdings führt zu einer Serie von Katastrophen, die Tom sich nicht erklären kann. Schon bald steht er unter Mordverdacht - und bei einer Leiche bleibt es nicht. Tom muss erkennen, dass Nuddin nicht umsonst in einem Käfig eingeschlossen war. Ein spannender Thriller mit einem verblüffenden Ende.

Prädikat: ***

Montag, 19. Juli 2010

Herr Ober: "Die Rechnung, bitte!" (Knaur)

Ein Kellner, der das eher unfreiwillig geworden ist (Job weg, Geld alle, und keine Idee, was sonst machen!), schreibt ein Blog: "Waiter Rant" geniesst in den USA mittlerweile Kultstatus. Im Internet berichtet der Kellner freizügig von seiner Arbeit in den mehr oder minder guten Restaurants, von seinen Kollegen und den Kunden sowie von seinen täglichen Abenteuern im Service. Der deutsche Leser sollte wissen, dass ein Kellner in den USA vielerorts keinen Lohn bekommt, und ausschließlich vom Trinkgeld seiner Gäste lebt. "Die Rechnung, bitte!" ist daher ein ausgesprochen mehrdeutiger Titel.
Ach wäre doch der Rest des Buches literarisch genauso anspruchsvoll. Doch davon kann keine Rede sein. Man erfährt so manches, was man schon immer ahnte, aber eigentlich nicht wirklich ganz genau wissen wollte. Man lernt ziemlich schnell, warum sich Küche und Service in vielen Restaurants nicht ausstehen können. Und natürlich verrät der Autor, welche Gäste er nicht mag - so ziemlich alle, so scheint es, wenn man durch das Buch endlich durch ist, denn letzten Endes bleibt nach all den bissigen Anekdoten kaum ein guter Faden an jenen Leuten, die das Geld mitbringen, das doch der Kellner so liebt. Das liest sich mitunter ja ganz amüsierlich, aber 350 Seiten damit werden unterm Strich ganz schön lang.

Prädikat: **

Dienstag, 13. Juli 2010

Susa Bobke / Shirley Seul: Männer sind anders. Autos auch. (Knaur)

Geschichten von Autos und ihren Menschen erzählt Susa Bobke, derzeit unterwegs im Allgäu als eine von fünf weiblichen Gelben Engeln des ADAC. Sie hat ihre Erlebnisse - kuriose, haarsträubende, gefährliche und manchmal auch berührende - mit Hilfe ihrer Freundlin Shirley Seul zu Papier gebracht. Und man muss sagen: Sie erzählt extrem witzig, selbstbewusst und bringt Dinge gern auf den Punkt.
Allerdings war das nicht immer so. Bobke erinnert sich an ihren Start im Kfz-Handwerk; zwar wollte sie schon als Kind eigentlich immer unter die Schrauber gehen. Aber seinerzeit waren Mädchen in der Autowerkstatt noch rarer als heute. Und so drehte die Tochter eines Land-Tierarztes zunächst einige unent- schiedene Runden an der Uni, bevor sie eine Freundin in eine Lehr- werkstatt buchstäblich schleppte. 
Bobke, die Kfz-Meisterin, ist nun seit mehr als 15 Jahren beim ADAC und hilft den Mitgliedern des Automobilklubs bei Pannen weiter. Aus jeder Zeile erspürt man, dass dies - trotz Schichtdienst - ihr Traum- job ist. Gratulation an den Arbeitgeber für die Begeisterung, die sich hier mitteilt - überzeugendere Werbung kann es kaum geben. 

Prädikat: ****

Montag, 12. Juli 2010

Denise Mina: In der Stille der Nacht (Heyne)

An einem Sonntagabend stürmen zwei Bewaffnete ein Haus in einem Vorort von Glasgow. Sie rufen nach einem "Bob", und fordern zwei Millionen Pfund. Als die Familie verkündet, hier wohne niemand mit diesem Namen, man stamme aus Indien und man habe diese Summe nicht, schnappen sich die Gangster den Senior und verschwinden mit ihm.
Vorher freilich löst sich aus der Pistole ein Schuss - und trifft die Hand von Aleesha, der Tochter des Entführten. Sie erkennt den Schützen wieder, als der sie im Krankenhaus besucht. Und reitet mit ihm in den Sonnen- untergang, was natürlich heute per Automobil erledigt wird. 
Eine Liebesromanze aus der schottischen Unterschicht, gut getarnt als "Thriller". Mit der heißen Nadel genäht, und schlecht übersetzt ("silicon chips" sind "Silizium-Chips"!). So wird das Lesen gleich doppelt zur Strapaze. Langweilig! 

Prädikat: --

Dienstag, 6. Juli 2010

Robert van Gulik: Mord nach Muster (Diogenes)

Die Pest grassiert in der chinesischen Hauptstadt. Der schwarze Tod bringt Recht und Ordnung ins Wanken. Und nicht nur die Straßenkehrer, die eigentlich die Toten fortschaffen sollten, nehmen sich so einige Freiheiten heraus. Auch der alte Adel, so scheint es, hat noch etliche Rechnungen zu begleichen. Richter Di jedenfalls, der für die Zeit der Abwesenheit des Kaisers nicht nur als Präsident der Reichsgerichts, sondern auch als Notstandsgouverneur fungiert, wird in sehr namhafte Familien gerufen, wo sich unter merkwürdigen Umständen die Todesfälle häufen. 
Die China-Krimis von Robert van Gulik haben Suchtpotential. Sie sind wie Schaufenster in eine fremde, exotische Welt - und zeigen zugleich, dass Menschen eigentlich überall auf der Welt ähnliche Leidenschaften und Schwächen haben. 

Prädikat: *****

Sonntag, 4. Juli 2010

Robert van Gulik: Halskette und Kalebasse (Diogenes)

In einer friedlichen Stadt am Fluss will Richter Di ein paar Tage ausspannen. Doch als er dort ankommt, wurde gerade eine grauslig zugerichtete Leiche gefunden. Und dann lässt ihn die Lieblingstochter des Kaisers in den nahegelegenen Wasserpalast rufen, wo er unter den misstrauischen Augen der Hofschranzen - als Arzt verkleidet - mitten hinein in Palastintrigen der schlimmsten Sorte gerät. Denn der Prinzessin wurde eine wertvolle Kette gestohlen, und sie legt größten Wert darauf, dieses Schmuckstück schnellstens zurückzubekommen. Ein Fall für Richter Di.
Dieses hohen Beamten hat es übrigens wirklich gegeben. Der nieder- ländische Diplomat und Chinakenner Robert Hans van Gulik hat einige Fälle des Richters übersetzt; dann erfand er, zum Teil auf Kriminal- berichte aus der chinesischen Literatur gestützt, zahlreiche weitere Fälle. Seine Texte verraten profunde Kenntnis chinesischer Mentalität, Kultur und Geschichte. Und auch der Leser lernt, indem er Richter Di durch seine Fälle folgt. 

Prädikat: *****

Rebecca Fischer: Lügst du noch oder liebst du schon? (Diana)

Die alleinerziehende Franca erzählt beim Speeddating, sie sei alleinstehend und erfolgreiche PR-Frau. Oliver, Junggeselle, begehrter Sachbuchautor mit Eigentums- wohnung in bester Hamburger Wohnlage, ist zu dem Speeddating gegangen, um für ein neues Buch zu recherchieren. Zu Test- zwecken erzählt er, er sei geschieden, und alleinerziehender Vater.
Dummerweise fliegen die beiden aufeinan- der. Und so folgt ein ganzes Buch voll Verrenkungen, Irrungen und Wirrungen, bis sie sich kriegen. Die Geschichte um die beiden Schwindler liest sich wie eine mäßig gelungene Semesterarbeit aus dem Kurs "Kreatives Schreiben" - aber es scheint ja genug Leser zu geben, die solche "Einblicke" in die ach-so-schicke und glamouröse Medienwelt schätzen. Gabrielle Engelmann, hier unter Pseudonym, jedenfalls gilt als erfolgreiche Autorin. 

Prädikat: *

Iny Lorentz: Aprilgewitter (Knaur)

Lore und Fridolin von Trettin, den Lesern bereits aus "Dezembersturm" bekannt, sind von Bremen nach Berlin gezogen. Fridolin wird Teilhaber einer Bank. Lore erfüllt sich ihren großen Traum, und eröffnet ge- meinsam mit ihrer Freundin Mary einen Modesalon. Das freilich kommt im standes- bewussten Berlin nicht gut an.
Lore muss feststellen, das die Berliner Gesellschaft - obwohl unglaublich dünkel- haft - am Tratsch Vergnügen findet. Und eine Flickschneiderin, die mit einem Freiherrn verheiratet ist - dieses Gerücht sorgt dafür, dass sie geschnitten wird. Es dauert lange, bis sie herausfindet, wer für dieses Gerede sorgt. Als dann noch Fridolin im Gefängnis landet, weil er im Bordell einen russischen Fürsten und eine Prostituierte erschossen haben soll, ist das Maß voll. Erst rettet Lore ihren Gatten - und dann verlässt sie ihn. 
Fridolin wiederum folgt ihr in die Schweiz, um sich zu erklären. Dort kommt er gerade pünktlich an, um seine Frau nebst Mündel und Zofe aus einer Lawine auszugraben. Womit das Finale dieses an erzählerischen Abenteuern reichen, dennoch aber unglaublich spannenden Schmökers wohl nicht mehr in Frage steht. 

Prädikat: ***